Die Hightech-Beschichter
Neuss-Grevenbroicher Zeitung Neuss | 11. August 2016 | VON FLORIAN RINKE
Die Krise in der niederrheinischen Textilindustrie stellte auch den Maschinenbauer Coatema vor große Herausforderungen. Doch das Unternehmen aus Dormagen erfand sich neu und ist heute erfolgreicher denn je – zum Beispiel dank Solarzellen.
Thomas Kolbusch (l.) und Andreas Giessmann haben Coatema für neue Märkte geöffnet.
FOTO: LOTHAR BERNS
DORMAGEN Bei Coatema Coating Machines hätten sie wohl auch nicht gedacht, dass der Preis für indisches Frauenhaar ihnen mal einen Millionenauftrag bescheren würde. Denn eigentlich ist das Unternehmen aus Dormagen auf den Anlagenbau spezialisiert. Mit Coatema-Maschinen werden Solarzellen und HightechTextilien beschichtet. „Wir haben uns in den vergangenen 20 Jahren den Ruf erarbeitet, dass wir Kunden von der Chemie bis zur Anlage beraten können“, sagt Coatema-Inhaber Andreas Giessmann. Warum also nicht auch zum Thema Haare?
Die Anfrage kam von einem Frisör, der künstliche Haarverlängerungen, sogenannte Extensions, entwickeln wollte. Echthaar-Verlängerungen werden überwiegend mit indischem Frauenhaar gemacht, es gilt als besonders strapazierfähig. Doch das Angebot ist begrenzt –und damit vergleichsweise teuer. Daher wollte der Kunde Kunsthaar herstellen – und Coatema entwickelte mit ihm eine Anlage, mit der sich Polyester-Garn beschichten lässt. „Wir haben Laborversuche durchgeführt und die Umsetzung geplant“, sagt Giessmann. „Am Ende wurde daraus eine Fabrik in Nepal.“
Die Extensions-Episode ist schon einige Jahre her, belegt aber, wie sich Coatema seit der Gründung 1974 gewandelt hat. Angefangen hat Coatema als Hersteller von Textilmaschinen, heute ist das Unternehmen mit seinen 38 Mitarbeitern darauf spezialisiert, selbst komplizierteste Wünsche umzusetzen – und zwar so gut, dass selbst Weltkonzerne wie Samsung, Bayer und Daimler zu den Kunden zählen.
Als Giessmanns Vater in den 70erJahren den Schritt in die Selbstständigkeit wagte, ging es ihm darum, bessere Maschinen für die Textilindustrie zu bauen. Als Konstruktionsleiter hatte er mitbekommen, wie es beim Bau von Anlagen immer wieder zu Problemen kam, weil verschiedene Zulieferer zuständig waren. „Sei- ne Idee war: Wir sind generalverantwortlich und bauen die komplette Anlage ohne Dritte“, sagt Giessmann. Also gründete sein Vater ein Ingenieurbüro. Die erste Maschine war eine Art Alleskönner, mit ihr konnte man Planenstoffe, Fußbodenbeläge und Tapeten bearbeiten. Der Start war geglückt. Doch dann kamen erste Umwälzungen in der deutschen Textilbranche, immer größere Teile der Produktion gingen nach Asien – und bei Coatema stellte man sich die Frage nach der Zukunft.
Hier kommt Thomas Kolbusch ins Spiel. Der Prokurist war früher beim Technologiekonzern 3M, 1999 wechselte er zu Coatema. „Es zeichnete sich ab, dass sich die Märkte ändern“, sagt er. Blieb nur die Frage, welche Rolle Coatema in diesem Wandel spielen würde. „Die Innovationskraft war da, konzentrierte sich aber sehr auf Textil“, sagt Kolbusch.
Dabei boten sich viel mehr Möglichkeiten – schließlich steht der Name Coatema für Coating, Textile und Machinery (Beschichtung, Textilien, Maschinen). Und gerade im Bereich der Beschichtung ist das Betätigungsfeld weit. Giessmann deutet auf die Lampe, die Tischkante, die Tür und die Tapete im Konferenzraum: „In jedem dieser Teile sind Parts, die beschichtet sind.“Und mit Maschinen für Beschichtungen kannten sie sich bei Coatema aus.
Also stellte die Firma ihr Geschäftsmodell um. Statt Maschinen zum Beschichten von Textilien zu fertigen, ging man auch auf Kunden zu, die andere Materialien bearbeiten wollten – wie Daimler. Für den Autobauer entwickelte Coatema eine Maschine, die bei der Produktion von Brennstoffzellen hilft. Andere Kunden bekamen Anlagen, um sogenannte Haifischhaut-Beschichtungen zu erzeugen, mit der die Aerodynamik erhöht wird. Wieder anderen baute man eine Anlage, mit der sich Solarzellen beschichten lassen. „Mit unseren Produkten machen wir Flugzeuge schneller und Solarzellen effizienter“, sagt Giessmann stolz.
In Zukunft, da sind die beiden sicher, würden immer mehr Maschinen zum Druck von Sensoren gebraucht. „Das ist für uns ein starker Wachstumsmarkt“, sagt Kolbusch. Auch im Bereich Life Science sieht er großes Potenzial: „Bislang werden vom Bluttest bis hin zur DNA-Analyse Scheiben aus Silizium verwendet. Das ist teuer und aufwendig.“Mit Coatema-Maschinen ließen sich Folien so beschichten, dass man die Tests auch mit ihnen durchführen könne – und zwar billiger. Die Zukunft hat in Dormagen begonnen.
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